Bayreuther Dissertationspreis für europäisches Arbeitsrecht
Nachfolgend finden Sie die mit dem Bayreuther Dissertationspreis für europäisches Arbeitsrecht ausgezeichneten Schriften.
2024
- 1. Preis: Matthias Schmid, "Europäischer Mindestlohn" (im Erscheinen)Einklappen
-
Matthias Schmid, Europäischer Mindestlohn
Der europäische Gesetzgeber hat mit dem Erlass der auf Art. 153 Abs. 1 lit. b AEUV gestützten Richtlinie 2041/2022 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union die Grenzen seiner sozialpolitischen Kompetenzen in bisher nicht gekannter Deutlichkeit herausgefordert. Art. 153 Abs. 5 AEUV entzieht dem EU-Gesetzgeber ausdrücklich die Kompetenz für das „Arbeitsentgelt“. Vielfach wird die Mindestlohnrichtlinie als kompetenzwidrig angesehen, eine von Dänemark initiierte Nichtigkeitsklage ist vor dem EuGH anhängig (C-19/23). Vor dem Hintergrund dieses Kompetenzkonfliktes untersucht die Arbeit die Dogmatik der Bereichsausnahme für das „Arbeitsentgelt“ in Art. 153 Abs. 5 AEUV und arbeitet dabei unter anderem deren Entstehungsgeschichte und Zwecke heraus. Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass nicht jede europäische Mindestlohnpolitik per se mit Art. 153 Abs. 5 AEUV unvereinbar ist und die Mindestlohnrichtlinie jedenfalls insoweit kompetenzkonform ist, als sie als prozedurale Richtlinie verstanden wird. - 2. Preis: Sophie Schwertner, "Kollektive Rechtssetzung und Arbeitnehmerähnlichkeit"Einklappen
-
Sophie Schwertner, Kollektive Rechtssetzung und Arbeitnehmerähnlichkeit
Die Arbeit untersucht, ob und wie Instrumente der kollektiven Rechtssetzung für arbeitnehmerähnliche Selbständige im Kontext der österreichischen Rechtsordnung nutzbar gemacht werden können. Die Autorin zeigt die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen für diesbezügliche nationale Regelungen auf, wobei der Schwerpunkt auf der Frage der Vereinbarkeit kollektiver Verträge zum Schutz Selbständiger mit dem Kartellverbot des Art 101 AEUV sowie auf den Vorgaben, die sich aus den Grundfreiheiten ergeben, liegt. Darüber hinaus werden nationale Gestaltungsmöglichkeiten de lege ferenda erörtert. Insgesamt zeigt die Arbeit, dass sich ein umfassendes System kollektiver Rechtssetzung für arbeitnehmerähnliche Personen in Österreich sowohl unionsrechtskonform als auch in Hinblick auf das geltende Kollektivvertragsrecht systemadäquat verwirklichen ließe.
2023
- Lorenz Lloyd Fischer, Die Horizontalwirkung der EU-Grundrechtecharta im Arbeitsrecht Einklappen
-
Grundrechte verpflichten nur Hoheitsträger unmittelbar, nicht auch Private. Und auch unionale Richtlinien wirken nicht unmittelbar im Horizontalverhältnis der Bürger untereinander. Was lange als geklärt galt und der allgemeinen Meinung entsprach, wird durch eine arbeitsrechtliche Rechtsprechungslinie des EuGH zunehmend in Frage gestellt. Seit seiner Mangold-Entscheidung bejaht der Gerichtshof eine Horizontalwirkung der Unionsgrundrechte und verlässt dabei zunehmend das gewohnte Terrain der »mittelbaren Drittwirkung«, wenn er sich inzwischen sogar für eine unmittelbare Bindung privater Arbeitgeber an die EU-Grundrechte ausspricht. Gleichzeitig umgeht er durch den Rückgriff auf die Unionsgrundrechte seine ständige Rechtsprechung zur fehlenden Horizontalwirkung von Richtlinienbestimmungen. Dieses Vorgehen wirft zahlreiche europa- und verfassungsrechtliche Fragen betreffend die dogmatische Zulässigkeit und die Reichweite dieser Horizontalwirkungsdoktrin auf.
2022
- Dominik Meinecke, Datenschutz und Data ScienceEinklappen
-
Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen und Big Data stellen das europäische Datenschutzrecht vor Herausforderungen. Aufgrund ihrer technologieneutralen Ausgestaltung wird dabei nicht auf den ersten Blick deutlich, welche Vorgaben die Datenschutz-Grundverordnung für entsprechende Anwendungen beinhaltet. Vor diesem Hintergrund untersucht der Autor die Vereinbarkeit solcher „Data Science“-Anwendungen mit dem Datenschutzrecht am Beispiel des Beschäftigungskontexts. Neben der Frage nach Handlungsbedarf für den europäischen Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang auch beleuchtet, inwieweit für die Mitgliedsstaaten zumindest im Beschäftigtendatenschutz noch Regelungsspielraum besteht.
2021
- Kai Morgenbrodt, Loyalitätsobliegenheiten und GrundrechteEinklappen
-
Die Arbeit analysiert Loyaliätsobliegenheiten aus europäischer Perspektive. Aus Konventions- und Unionsrecht erarbeitet der Autor einen Abwägungsansatz, der das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft mit den Grundrechten des Arbeitnehmers austariert. Im Zentrum dessen steht die Funktion des Arbeitnehmers in der religiösen Sendung der Religionsgemeinschaft und des Arbeitgebers. Die Rechtsprechung des BVerfG bedarf vor diesem Hintergrund der Revision. Sie schafft keinen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Verfassungsgüter, ist strukturell diskriminierend, unterschreitet das Mindestmaß an Menschenrechtsschutz und bietet unzureichende Lösungen für Loyalitätsobliegenheiten in einer religiös pluralisierten Gesellschaft.
2020
- Thomas Dullinger, Arbeitsrechtliche Relevanz religiöser BedürfnisseEinklappen
-
Thomas Dullinger, Arbeitsrechtliche Relevanz religiöser Bedürfnisse, Wien 2020.
Sowohl Religion als auch das Arbeitsverhältnis halten für religiöse Arbeitnehmer zahlreiche Verpflichtungen bereit. Da diese Verpflichtungen in der Regel nicht aufeinander abgestimmt sind, kommt es zu einem Konflikt zweier Normensysteme, der den Arbeitnehmer vor die Wahl stellt, entweder seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen oder seine religiösen Bedürfnisse zu erfüllen. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Möglichkeit der Auflösung dieser Konflikte durch das Arbeitsrecht auseinander und geht dabei der praktisch zunehmend relevanten Frage nach, inwiefern religiöse Bedürfnisse des Arbeitnehmers die arbeitsvertraglichen Pflichten begrenzen und inwiefern diese Bedürfnisse Grundlage von Rechten im Arbeitsverhältnis sein können.
- Alberto Povedano Peramato, Streikrecht und ArbeitsvölkerrechtEinklappen
-
Die Arbeit behandelt das dogmatische Verhältnis zwischen Völkervertragsrecht und der deutschen Rechtsordnung anhand der Frage, für welche Ziele gestreikt werden darf. Nach ausführlicher Analyse einschlägiger arbeitsvölkerrechtlicher Bestimmungen gelangt der Autor zum Ergebnis, dass die überwiegend angenommene strenge Tarifvertragsbezogenheit des deutschen Arbeitskampfrechts in zwei Punkten völkerrechtswidrig ist: der Begrenzung des Streikrechts auf förmliche Tarifverträge und auf Materien, die normativ tariflich regelbar sind. Anschließend prüft der Autor anhand eingangs konturierter Grundsätze, ob sich die Divergenzen über das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung beseitigen lassen. Schließlich leitet er die zur Herstellung eines völkerrechtskonformen Arbeitskampfrechts erforderlichen Anpassungen her. Die Arbeit leistet damit einen grundlegenden Beitrag zum Umgang mit völkervertragsrechtlichen Vorgaben sowie zur Fortentwicklung des Arbeitskampfrechts.